Unterwegs mit den Bremer Spitzenkandidaten

Bürgerschaftswahl am 14. Mai

Weser-Kurier, 03.05.2023

Raus auf die Straße und ran an die Wählerinnen und Wähler müssen alle Kandidaten für die nächste Bremische Bürgerschaft. Wir haben die Top-Leute auf den Listen der sechs aussichtsreichsten Parteien begleitet.

(…)

Piet Leidreiter (BIW)

„Jetzt oder nie“ könnte das Motto von Piet Leidreiters Wahlkampf heißen. Politisch blickt er auf eine bewegte Vergangenheit: Er war Bundesschatzmeister der AfD, als sie mit Bernd Lucke noch eine eurokritische, rechtsliberale Partei war. Mit Lucke verließ er im Juli 2015 die AfD, gemeinsam gründeten sie die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa), später umbenannt in die „Liberal-Konservativen Reformer“ (LKR). 2017 wechselte er zu den „Bürgern in Wut“ (BIW). Der Vorsitzende Jan Timke sei sein Banknachbar in der Bürgerschaft gewesen. Inzwischen ist Piet Leidreiter Vize-Vorsitzender und Spitzenkandidat der Wählervereinigung für die Bürgerschaftswahl am 14. Mai.

Es ist Wahlkampf: Piet Leidreiter und seine Frau Janine werfen Flyer im Aalto-Hochhaus in der Vahr in Briefkästen. Seine Familie unterstütze ihn viel, erzählt der 58-Jährige. Tochter Alicia, die sich seit vier Jahren im Jugendbeirat Horn-Lehe engagiert, stellt sich als jüngste Kandidatin der BIW auf Listenplatz 8 zur Wahl.

Vor dem Aalto-Hochhaus spricht Leidreiter mit einem Passanten. „Gegen Denk- und Sprachverbote“, heißt es auf dem Flyer. „Wir müssen ehrlich miteinander umgehen und nichts verschleiern“, so Leidreiter. „Wir unterscheiden uns von der Merkel-CDU.“

In den jüngsten Umfragen lagen die Bürger in Wut bei sechs Prozent – „genauso viel wie die FDP“, so Leidreiter. Abseits der Politik leitet er die Steuerberatungsgesellschaft seines Vaters und betreibt mit seiner Frau eine Sicherheitsfirma. „Der Arbeitstag hat 24 Stunden und wir schlafen wenig“, sagt der Spitzenkandidat. Durch das „Bündnis Deutschland“ verfüge er erstmals über ein nennenswertes Wahlkampfbudget. Wie berichtet, unterstützt die neue Partei die BIW mit einem sechsstelligen Betrag „und personeller Wahlkampfhilfe“, ergänzt Leidreiter. Die BIW haben Anzeigen geschaltet, Haushalte angeschrieben, Flyer gedruckt, Infostände von Walle bis Borgfeld bespielt, und nach Timke startet nun auch Leidreiter in den Haustür-Wahlkampf.

Nicht in allen Stadtteilen ließen sich Stimmen holen, weiß Piet Leidreiter. Bezirke mit erwartbar hohem grünen Wähleranteil lasse er aus. „An der Schwachhauser Heerstraße sind fast alle unsere Plakate abgehängt worden“, erzählt Janine Leidreiter. Auf Facebook, Twitter und Co. wurde er schon als „Nazi“ beleidigt. Er führt dies auf seine AfD-Vergangenheit zurück, doch mit der heutigen Partei verbinde ihn nichts mehr: „Unser Ziel ist anschlussfähige bürgerliche Politik.“

Die BIW seien wertkonservativ und wirtschaftsliberal. „Klar, wir haben über die unbegrenzte Einwanderung geschimpft. Aber man muss unterscheiden zwischen der Einwanderungspolitik und den Leuten, die hier sind.“ Für die BIW engagierten sich auch Menschen mit Migrationsgeschichte. „Wir brauchen Elitenförderung und gezielte Einwanderung nach Bedarf“, so Leidreiter.

„Autofahrer wehrt euch“, fordern die BIW auf einem Plakat. „Die Grünen machen alles, um den Autofahrern das Leben schwer zu machen“, die ansonsten keine Lobby hätten, rechtfertigt Leidreiter die offensive Wortwahl. Tatsächlich gehe es darum, „einen Ausgleich zwischen Fußgängern, Radfahrern und Autofahrern“ zu schaffen.

In der Bürgerschaft hofft Leidreiter auf eine Fraktion mit zehn statt zwei Leuten. Seine zuvor gegründeten Parteien seien „kaputtgegangen“, der Versuch, mit der BIW weitere Landesverbände zu gründen, sei bislang gescheitert. Jetzt oder nie sei das Motto: „Wenn wir den Einzug verpassen, werde ich wahrscheinlich nie wieder antreten.“

(…)

+++